Das erste Mal was über mich im Tagesspiegel “Leute”- 

– NACHBARSCHAFT –

“Ich habe nichts zu sagen, aber viel zu erzählen”: Eine Geschichte des Schriftstellers und Ex-Anwalts KaJo Frings …

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KaJo Frings ist Schriftsteller und war rund dreißig Jahre Anwalt in Kreuzberg. Nun hat er seine Akten im Keller eingemottet, um sich ganz dem Schreiben zu widmen: Unter anderem über den fiktiven Anwalt Jens Hilfreich, der die merkwürdigen Fälle anzieht wie ein Magnet. „Die Episoden spiegeln unsere Gesellschaft, Geschichte, Kultur, Politik und Justiz wider“, erklärt Frings, dessen Motto übrigens lautet: Ich habe nichts zu sagen, aber viel zu erzählen. Die Hilfreich-Geschichten erscheinen allmonatlich in der „Kreuzberger Chronik“. 

Hier lesen Sie die Episode „Leben in Corona“.

Corona-Zeit, beim Wochenmarkt am Chamissoplatz. Rechtsanwalt Hilfreich trägt eine Maske. Eine Frau kommt auf ihn zu: „Herr Hilfreich, sind Sie’s?“

Hilfreich: „Ja. Worum geht’s?“

Frau: „Haben Sie überhaupt noch auf? Ich war da und keiner hat geöffnet.“

Hilfreich: „Aber da hängt doch auch ein Schild, dass wir nur noch nach Terminabsprache öffnen.“

Frau: „Ach so.“

Hilfreich: „Am besten ist es natürlich, Sie schicken ihre Fragen vorher per E-Mail.“

Frau: „Ja, ich war ja schon mal bei Ihnen. Sie wissen doch – die Tochter mit dem Vater wegen der Erbschaft.“

Hilfreich: „Na, da sind Sie aber nicht die Einzige.“

Frau: „Aber Sie wissen doch, bei mir ist das so, dass mein Vater von mir verlangt, dass ich was unterschreibe, dass ich auf was verzichte und dann gibt er mir was.“

Hilfreich: „Sie meinen einen Pflichtteilsverzichtsvertrag oder was sollen Sie da unterschreiben?“

Frau: „Ja, sowas. Da hat er schon mal einen Entwurf geschickt von einem Notar a.D. Darf eigentlich ein Notar a.D. überhaupt solche Verträge machen?“

Hilfreich: „Beurkunden darf nur ein Notar, aber Verträge entwerfen darf jeder, auch ein Notar a.D. Was steht denn da drin?“

Frau: „Ja, das weiß ich eben nicht genau.“

Hilfreich: „Dann schicken sie mir doch einfach mal ne E-Mail und dann können wir ja mal drüber reden.“

Frau: „Ja, aber ich will nichts überstürzen. Ich habe mir gesagt, ich warte, bis die Krise vorbei ist und entscheide mich dann. Wissen sie, ich hab keinen Traum.“

Hilfreich: „Was heißt das denn?“

Frau: „Ja, mein Vater würde mir jeden Traum finanzieren; wenn ich z.B. den Traum hätte, einen Jaguar zu fahren, würde er mir auch einen Jaguar kaufen. Aber ich mag keinen Jaguar und ich hatte jetzt kürzlich schon versucht, mal einen Traum zu malen, als das Frühlingserwachen kam. Aber ich bin irgendwie nicht zum Malen gekommen. Und jetzt habe ich meinen Traum noch nicht malen können. Und ich kann ja auch nicht handeln. Also handeln kann ich schon auf`m Markt, wenn ich was kaufe oder verkaufe, aber in der Familie handeln, das ist mir zuwider. Mein Bruder hat sich schon mit seinem Vater geeinigt.“

Hilfreich: „Na ja, das kommt häufig vor. Ich schreib dann immer, wenn Sie nicht sagen, auf was Ihre Tochter verzichten soll, dann kann ich ihre Tochter auch nicht beraten. Also sagen Sie doch einfach, wie groß Ihr Vermögen ist und wieviel Sie davon an ihre Tochter abgeben wollen.“

Frau: „Wieviel Steuer fällt denn da so an?“

Hilfreich: „Naja, bis 400.000 Euro ist eine Erbschaft steuerfrei.“

Frau: „Oh, das ist ja schonmal ne Zahl. Da kann man ja schon mal mit rechnen.“

Hilfreich: „Hat denn Ihr Vater 400.000 Euro?“

Frau: „Naja, er hat gut verdient, aber er hat auch gut gelebt.“

Hilfreich: „Ja, dann wird er wohl nicht mehr soviel haben, wenn er gut gelebt hat.“

Frau: „Seine Frau macht gerade Druck.“

Hilfreich: „Ach, wie viele Jahre jünger ist die denn?“

Frau: „Nee, die sind gleich alt, beide 84. Ich plane ja auch nicht mehr so lange, weil meine Mutter ist nur 59 geworden und ich bin schon 58, also eigentlich plane ich nur noch für ein Jahr.“

Hilfreich: „Na ja, wie wichtig ist es denn dann, wie viel Sie erben? Sie können ja mal Ihrem Vater sagen, er soll Ihnen mal einen vernünftigen Betrag zur Verfügung stellen und dann schauen Sie sich mal die Welt an und überlegen sich, was Ihr Traum sein könnte.“

Frau: „Ach nein, ich bin schon viel gereist. Früher. Das ist alles nicht mehr so wichtig.“

Hilfreich: „Also gut, ich meld mich dann bei Ihnen.“

Stimme von hinten: „Stehen Sie jetzt hier eigentlich an oder reden Sie nur?!“

Hilfreich: „Ich mach beides gleichzeitig.“

Frau: „Ja gut. Ich melde mich dann bei Ihnen.“

Hilfreich: „Also, da ich ja viele Töchter mit Vätern in Erbschaftssachen berate, sagen Sie mir vorsorglich noch mal Ihren Namen.“

Sie nennt ihren Namen.

– Ende –

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: nele[dot]jensch[at]extern[dot]tagesspiegel[dot]de

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